Kester-Haeusler-Stiftung

Sammlung Siemssen

Hans und Walther Siemssen - Leben und Werk

Als bislang jüngsten Zugang erhielt die Kester-Haeusler-Stiftung im Juli 1998 von Frau Ingrid Kamps, geb. Siemssen den wertvollen, ihr von ihren Eltern vererbten Archivbestand des von Vater und Großvater Siemssen betriebenen, Augsburger Photostudios Siemssen als Schenkung. Die sich an die Übergabe des umfangreichen Bestandes an historischen Photoplatten und Negativen anschließende Dokumentation und Inventarisierung der gut 4000 Photoplatten und über 10.000 Negativen aus der Zeit von 1900 bis in die 50er Jahre dieses Jahrhunderts umfassende Sammlung hat die ersten Erwartungen und Einschätzungen bezüglich der Bedeutung und künstlerischen Qualität des Bestandes noch deutlich übertroffen.

Hans (Johannes August) Siemssen wurde am 30. Juni 1866 in Lübeck geboren. Am 1. Mai 1893 kam er über Amberg nach Augsburg. Ab Ende 1894 wohnte er in der Bahnhofstraße 12. 1901 zog er in das 1899 erworbene, mit einer reizvollen Jugendstilfassade verzierte Haus in der Bahnhofstraße 10 dessen Rückgebäude künftig sein Atelier beherbergte. Im Jahr 1899 wurde ihm der Titel »Königlich Bayerischer Hofphotograph« verliehen. Während der Einrichtung seines Ateliers zwischen 1900 und 1905 soll ihm der spätere Bayerische König Ludwig III. behilflich gewesen sein, der auch Objekt seiner künstlerischen Aufnahmen wurde.

Siemssen gab 1909 einen Katalog seiner »Werkstatt für moderne Kunst-Photographie« heraus, in dem vor allem Portraits von Angehörigen der Augsburger Gesellschaft enthalten sind. Am 9. Januar 1935, einen Tag nach seinem Tod, wurde er in einem Nachruf in der Neuen Augsburger Zeitung als herausragende Persönlichkeit unter den zeitgenössischen Fotografen gewürdigt. Gerade auf dem Gebiet der Portraitfotografie, der er sich bis auf wenige Ausnahmen, fast ausschließlich widmete, hat er große Verdienste errungen. Zahlreiche Zeitungskritiken und internationale Auszeichnungen bezeugen den anerkannten Rang Siemssens. So gehörte er auch der erlauchten Vereinigung der »Gesellschaft Deutscher Lichtbildner (GDL)« an, deren strenger Statut eine gleichbleibend hohe Qualität von ihren Mitgliedern verlangt, da ansonsten die Ausweisung aus diesem engen Kreis erfolgte.

Siemssens besonders fein ausgeprägtes Einfühlungsvermögen ermöglichte es ihm, den Charakter der jeweiligen Person zu erfassen. In Verbindung mit bester fotografischer Technik entstanden Portraits von einer enormen Lebendigkeit. Vor allem in dieser Hinsicht war er einer der ersten, die sich von der Starrheit und bloßen Abbilderei der älteren Portraitfotografie lösten. Seinem künstlerischen Impetus folgend war er stets um möglichst große Vielfalt und um Abwechslungsreichtum auf diesem doch sehr eng umgrenzten Gebiet bemüht. Gerade bei den schwierig zu fotographierenden Kindern gelang es ihm, deren Persönlichkeit und natürliche Unbekümmertheit einzufangen.

Neben seinen unbestrittenen Leistungen in der Portraitfotografie darf man jedoch nicht vergessen, dass er mit gleichem Anspruch auch Architektur, insbesondere seiner Wahlheimat Augsburg, sowie die Landschaft seiner näheren Umgebung fotografierte. Ebenso verdienen seine Werbeaufnahmen Beachtung, in denen er um eine wirkungsvolle Präsentation der entsprechenden Waren bemüht war. Hieran lassen sich auch seine Grundprinzipien im Umgang mit Kunstlicht zeigen. Er bevorzugte zartes Licht und vermied jegliche Lichteffekte mit ausgeprägten Hell-Dunkel-Kontrasten. Auf Grund seiner hervorragenden Arbeiten und seines beachtlichen Renommees konnte Hans Siemssen auch zahlreiche bedeutende Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zu seinen Kunden zählen.

Nach seinem Tode wurde die Foto-Werkstatt von seinem am 28. Oktober 1896 in Augsburg geborenen Sohn Gustav Adolf Walther weitergeführt. Von Kindes Beinen an im Umgang mit Fotos vertraut, lag es nahe, dass auch er diesen Beruf ausüben würde. Nach einer Lehre im väterlichen Atelier und auf der Bayerischen Staatslehranstalt für Fotografie ging er zur weiteren Ausbildung zu dem bekannten Hof-Fotografen Franz Grainer nach München und zu Camille Ruf in Zürich bevor die Augsburger Werkstatt Ort seines Schaffens wurde. Walther Siemssen führte das von seinem Vater gegründete Fotostudio in bester Tradition weiter und blieb ebenfalls der Portraitfotografie treu. Nur wenige Architektur-, Landschafts- und Werbeaufnamen finden sich in seinem Oeuvre. Allen seinen Aufnahmen ist aber trotz der schwierigen politischen und wirtschaftlichen Lage beste fotografische Qualität zueigen.

Gerade nach dem Krieg, als man preiswerte Portraits verlangte, gelang es ihm dennoch, durch einfühlsame Bildnisse seinem hohen künstlerischen Anspruch gerecht zu werden.Die Anerkennung, die ihm aufgrund dieses Bestrebens durch seine Fachkollegen zuteil wurde, zeigt sich u.a. auch in der Ernennung zum ersten Nachkriegs-Vorsitzenden der »Gesellschaft Deutscher Lichtbildner (GDL)«, zu deren Ehrenringträgern er später gehörte.

Gustav Adolf Walther Siemssen starb achtzigjährig am 13. April 1977.

In einem Nachruf von Fritz Kempe in der Zeitschrift »Die Fotowirtschaft« werden seine Werke als »Zeugnisse einer Fotografie von hoher Kultur« gewürdigt, die auch in der »Fotografischen Sammlung des Museums für Kunst und Gewerbe in Hamburg« vertreten sind.

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