Stiftungsgeschichte
Die Stifterinnen Mirjam und Gabriele Haeusler und ihre familiären Wurzeln
Die nachfolgenden Ausführungen sollen einen kleinen Einblick in die Geschichte der Familien Kester, Haeusler und Ashton geben und das Fundament aufzeigen, auf dem die Stifterinnen standen, als sie die Kester-Haeusler-Stiftung errichteten und das der Stiftung Verpflichtung bei ihrer gemeinwohlorientierten Arbeit ist.
Sichtbar wird eine beachtliche, weit verbreitete Familie, auf deren Tradition Mirjam und Gabriele Haeusler bei der Errichtung der Kester-Haeusler-Stiftung zurückblicken konnten, und die beide zweifellos auch bei der Formulierung des von ihnen festgelegten Stiftungszweckes inspiriert und beeinflusst hat. Die Schwestern Mirjam und Gabriele Haeusler, die beiden Stifterinnen der gemeinnützigen Kester-Haeusler-Stiftung.
Mirjam Haeusler wurde am 2. Mai 1897 in Würzburg geboren, ihre Schwester Gabriele am 23. März 1905 in Landau. Beide lebten mehr als sieben Jahrzehnte in Fürstenfeldbruck, wo sie 1988 und 1989 im Alter von 83 bzw. 92 Jahren verstarben. Im Mai 1987 errichteten sie auf Grund eines notariellen Erbvertrages zur Erinnerung an ihren Vater, den Reichstagsabgeordneten und Generalmajor Caspar Haeusler, und ihre Mutter Therese, eine geborene Kester, die gemeinnützige Kester-Haeusler-Stiftung, eine öffentliche Stiftung des bürgerlichen Rechts mit Sitz in Fürstenfeldbruck, die ihrer Satzung gemäß Wissenschaft, Forschung und Kultur fördert. Sie wurde am 27. Oktober 1988 durch das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst genehmigt und erlangte damit ihre Rechtsfähigkeit.
Mirjam und Gabriele Haeusler hatten zum Zeitpunkt ihrer Stiftungserrichtung keine nahen Angehörigen mehr, da ihre vier Geschwister Eduard, Ludwig, Richard und die bereits als junges Mädchen im Alter von nicht ganz 15 Jahren verstorbene Hedwig ohne eigene Nachkommen vorverstorben waren und sie selbst auch unverheiratet blieben. Die Frage nach dem Verbleib ihres ererbten und gehüteten Vermögens beschäftigte Mirjam und Gabriele Haeusler deshalb in den letzten Jahren ihres Lebens besonders. Als passende Lösung erschien ihnen nach eingehender Prüfung und Beratung, u.a. durch Heinz Thieler, ihrem jahrzehntelangen Münchner Rechtsanwalt und seinem ebenfalls in der Sozietät tätigen Sohn Volker, die Errichtung einer eigenen Stiftung, die sie zu Lebzeiten gründeten, mit dem Namen Kester-Haeusler-Stiftung versahen und mit einem Anfangsvermögen in Höhe von DM 100.000,- ausstatteten.
Zum ersten Vorsitzenden des Stiftungsvorstandes, dem sie zu Lebzeiten auch selber angehörten, beriefen sie mit Rechtsanwalt Professor Dr. Volker Thieler ihren langjährigen Vertrauten und Berater, den sie auch als Testamentsvollstrecker einsetzten. Nach dem Tod der letztverstorbenen Mirjam Haeusler wurde der Münchner Ordinarius für Bürgerliches Recht und Deutsche und Bayerische Rechtsgeschichte, Professor Dr. Hermann Nehlsen, der bereits als Vorsitzender dem von den Damen eingerichteten wissenschaftlichen Beirat der Stiftung angehörte, zum stellvertretenden Vorsitzenden des Vorstandes berufen.
Die zu Lebzeiten errichtete Stiftung setzten die Damen Haeusler auch zu ihrer jeweiligen Nacherbin ein. Auf diese Weise sahen sie für sich in der konkreten Situation die ideale Möglichkeit, um den Erhalt und Fortbestand des langjährigen Familienbesitzes sowie der über viele Jahrzehnte auch von ihnen selbst bewohnten Haeusler-Villa zu gewährleisten. Sie gaben ihr mit einer insbesondere die Durchführung von wissenschaftlichen und kulturellen Veranstaltungen beschreibenden Zweckvorgabe in der Stiftungssatzung eine neue Nutzung und zusätzliche Bedeutung als Stätte für wissenschaftliche und kulturelle Gespräche und Begegnungen.
Die Stiftung hat dem Willen ihrer Stifterinnen entsprechend ihren Sitz und ihr Domizil in der 1899 von dem bekannten Münchner Architekten Gabriel von Seidl erbauten, ursprünglich von den Großeltern der Stifterinnen, dem Münchner Lederfabrikanten Ludwig Kester und seiner Frau Julie, geb. Ashton, in Auftrag gegebenen, denkmalgeschützten Gründerzeitvilla an der Dachauer Straße in Fürstenfeldbruck bei München. Angelockt wohl auch durch die Werbung um die Jahrhundertwende, die Fürstenfeldbruck als „Villenkolonie vor den Toren Münchens mit schattigen Wäldern und heilkräftigen kalten und warmen Amperbädern bei reinster ozonreicher Luft“ pries, wählten die Großeltern Kester Bruck als Altersruhesitz und bezogen im Jahre 1900 die Villa, die zum damaligen Zeitpunkt noch völlig frei und unverbaut am Ende der Äußeren Dachauer Straße lag, einem Weg, der eigentlich noch nicht als Straße zu bezeichnen gewesen ist.
Die Damen Haeusler, denen ein Auseinanderfallen des über viele Jahrzehnte bewahrten und zusammengehaltenen Familienbesitzes nicht nur unerwünscht, sondern unvorstellbar war, beschlossen, mittels einer Stiftung für einen zukünftigen Erhalt und Zusammenhalt des von ihren Eltern und Großeltern Ererbten zu sorgen. Durch die Errichtung einer gemeinnützigen und damit erbschaftsteuerbefreiten Stiftung konnte ein uneingeschränkter Vermögensübergang gewährleistet werden.
Mit der durch die Errichtung der Kester-Haeusler-Stiftung gelungenen Schaffung ihres Wunscherben, der, mit einer Satzung ausgestattet, bestimmte, unabänderlich vorgegebene Aufgaben und Ziele verfolgen kann, sahen die Damen Haeusler ihren Wünschen nach Kontinuität und Zusammenhalt des Familienbesitzes Rechnung getragen und die optimale Lösung des lange Zeit für sie unlösbar erscheinenden Nachfolgeproblems. Durch die Festlegung einer sehr weit gefassten Zweckbestimmung ihrer Stiftung trugen die Damen Haeusler der vielschichtigen Tradition einer Familie Rechnung, die – aus München und Franken stammend – auch durch ihre englischen Wurzeln geprägt wurde.
So hatte auch die Förderung mildtätiger, gemeinnütziger, sozialer und kultureller Anliegen in der Familie schon lange vor der Errichtung der Kester-Haeusler-Stiftung eine bemerkenswerte Tradition. Schon Mitte des 19. Jahrhunderts waren – um nur ein Beispiel zu nennen – die Großeltern Kester auf sozialem Gebiet besonders engagiert.
So hatte die Großmutter von Mirjam und Gabriele Haeusler, Julie Kester, zusammen mit Prälat Rathmayer, dem Stadtpfarrer von St. Ludwig, maßgeblichen Anteil an der Gründung des Münchener Marianums, das 1879 als Wohnheim für ledige Arbeiterinnen geplant und schon ein Jahr später 1880 durch Erzbischof Antonius von Steichele eingeweiht werden konnte. Auch 1882, als unter der Federführung des H.H. Kaplan Jakob Rathmayer für das Marianum ein eingetragener Verein gegründet werden konnte, dessen Protektorat I.K.H. Prinzessin Maria de la Paz, die Frau Ludwig Ferdinands von Bayern, übernahm, war die Familie Kester aktiv beteiligt. Der Großvater Ludwig Kester gehörte dem Vereinsvorstand als Kassier an und die Großmutter, Julie Kester, die nach zeitgenössischen Aussagen immer dann besonders aktiv wurde, wenn es galt, Spenden und Finanzmittel zu sammeln oder selbst mit den eigenen Händen zuzupacken, gehörte dem Aufsichtsrat an. Nach mehreren Jahren im angemieteten Eichenthalschlösschen wurde schließlich der Bau eines eigenen Heims angestrebt, das u.a. durch die Durchführung einer Lotterie finanziert wurde. Am 1. November 1901 konnte das eigene Gebäude feierlich eingeweiht werden. Seit 1973 dient das an der Münchener Humboldtstraße gelegene Gebäude in der Trägerschaft der Caritas als Wohnheim für geistig und körperlich behinderte Erwachsene.
Das auf die nachfolgenden Generationen übertragene Verständnis eines sozialen Engagements und Gefühls, Armen und Bedürftigen gegenüber eine Verpflichtung zur Hilfe zu verspüren, haben sicher auch dazu geführt, dass Mirjam und Gabriele Haeusler ihrer Stiftung in der Satzung die Auflage mit auf den Weg gegeben haben, den Bewohnerinnen und Bewohnern des Fürstenfeldbrucker Theresianums, eines bereits seit fast 150 Jahren von Niederbronner Schwestern der Kongregation der Schwestern vom göttlichen Erlöser geführten Alten- und Pflegeheimes an der Kirchstraße, alljährlich zum Weihnachtsfest eine Weihnachtsgabe auszuschütten.
Über Julie Kester, die Großmutter der Stifterinnen, sind auch die englischen Wurzeln der Familie weiterzuverfolgen. Ihr 1816 in Leeds geborener Vater, der Urgroßvater der Stifterinnen, George Jon Ashton, war von Joseph Anton Ritter von Maffei, dem ersten sog. Münchner Industriebaron, Anfang der vierziger Jahre aus England nach Bayern gerufen worden, um als Ingenieur und Konstrukteur die Leitung des Eisenwerks in der Hirschau am Nordrand des Englischen Gartens in München zu übernehmen. In der Maffei’schen Lokomotivenfabrik baute George Jon Ashton über 1000 Lokomotiven, darunter auch die ersten, die auf der Strecke München – Augsburg eingesetzt wurden sowie den zweiten „Adler“, der 1857 den von Stephenson konstruierten und noch aus England importierten Vorgänger auf der Ludwigsbahn Nürnberg – Fürth ablöste.
George Jon Ashton heiratete im Jahre 1846 die am 1. Januar 1825 in München geborene Juliana Hissmanseder, Tochter des Kistlermeisters Michael Hissmanseder und seiner Frau Katharina, geb. Haberkorn. Aus der Ehe sind sieben Kinder hervorgegangen, darunter auch die Großmutter der Stifterinnen, Julia Sara Ignatia Ashton. Am 2. Dezember 1847 in München geboren, ehelichte sie 18-jährig am 7. August 1866 den acht Jahre älteren Ludwig Kester, Sohn des Fabrikdirektors Franz Kester aus Giesing und seiner Ehefrau Karolina. Nach der Hochzeit ließ sich das junge Paar in Giesing nieder, wo sich Julie Kester bis zu ihrer Übersiedelung nach Fürstenfeldbruck im Jahr 1900 ebenfalls auf sozialem Feld, u.a. in der Leitung der Giesinger Krippenanstalt, sehr einsetzte.
Julie Kester, die Großmutter der Stifterinnen, die von den Kindern und Enkeln „Mudi“ genannt wurde, verstarb 1931, im Alter von 83 Jahren, in Bruck. Urgroßvater Franz Kester trat 1824 in die Leitung der zu Beginn des 19. Jahrhunderts von Ignaz Mayer gegründeten Lederfabrik und Großgerberei ein, die in großem Umfang Lederwaren für die Königlich Bayerische Armee produzierte. Nach der Vermählung der Tochter von Ignaz Mayer mit Simon von Eichthal, dem späteren Hofbankier und entscheidenden Mitbegründer der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank, wurde das Unternehmen 1824 durch den Schwager Arnold von Eichthal übernommen und durch Franz Kester geleitet. Kester baute es rasch zu einem der modernsten seiner Art und zum größten auf dem Kontinent aus. Bereits 1836 verfügte der Giesinger Betrieb über die erste Lederspaltmaschine auf dem europäischen Festland. Franz Kester war es zahlreichen Widrigkeiten zum Trotz gelungen, die lang geheim gehaltene englische Erfindung anzukaufen und nach Bayern zu bringen. Im selben Jahr wurde in der ursprünglich als Sohl- und Lederfabrik gegründeten Firma auch mit der Herstellung von lackiertem Leder begonnen. Auf Grund der großen Nachfrage im In- und Ausland musste Franz Kester den Betrieb mehrfach erweitern, bevor ab 1854 eine Spezialisierung auf die ganz überwiegende Produktion von feinen lackierten Ledern erfolgte, die für die innere Ausstattung von Kutschen und später auch von Automobilen verwendet wurden. Zahlreiche der auch auf mehreren Weltausstellungen prämierten Produkte wurden in fast alle Länder der Welt exportiert.
1871 wurde das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Franz Kester, der ein Jahr später verstarb, und sein Sohn Ludwig, beide in leitender Stellung im Unternehmen tätig, wurden Anteilseigner und damit Miteigentümer. 1890 zählte die Actien-Gesellschaft für Lederfabrikation, deren Fabrikgelände 8,8 Hektar umfasste und die jährlich 60.000 Rinder- und 15.000 Schweinehäute verarbeitete, zu den bedeutendsten Arbeitgebern Münchens. Als Ludwig Kester, der auch als Münchner Gemeindebevollmächtigter und ehrenamtlicher Handelsrichter tätig war, Ende des 19. Jahrhunderts sein Aktienpaket veräußerte und sich in Fürstenfeldbruck von Gabriel von Seidl seinen Altersruhesitz bauen ließ, stand das Unternehmen, das um die Jahrhundertwende zu einem der größten seiner Branche in Deutschland zählte, glänzend da.
Die Mutter Ludwig Kesters, Karolina, die Urgroßmutter der Stifterinnen, bringt einen weiteren Teilaspekt der Familientradition, die musische, vor allem musikalische Neigung in die Familie. 1801 geboren, war Karolina die jüngste Tochter des 1762 in Balingen, in der Pfarrei Geislingen geborenen Sebastian Popp, der zunächst als kurfürstlicher Kammermusiker und Musiklehrer der Kinder des Kurfürsten Max IV. Joseph und später als Kammermusikus und Klavierlehrer bei König Ludwig I. erscheint. Zu seinen Schülern gehörte auch Bettine Brentano, die Schwester von Clemens von Brentano und spätere Ehefrau des Achim von Arnim. Sie studierte 1808/1809 in München bei Popp und Peter von Winter und nahm zusammen mit Popps ältester Tochter Magdalena, der Schwester Karolinas, italienische Sprachstunden. In „Goethes Briefwechsel mit einem Kinde“ erinnert sie sich an ihren Lehrer Sebastian Popp.
Unter den zahlreichen Großonkeln und -tanten von Mirjam und Gabriele Haeusler findet sich u.a. der 1890 zum Braumeister und später zum Direktor der Staatsbrauerei Weihenstephan avancierte Richard Ashton, der 1920 bereits im Pensionsalter auf der Suche nach neuen Herausforderungen in Belgrad den Wiederaufbau der im Krieg zerstörten Ersten Serbischen Dampfbierbrauerei leitete. Erst 1926 gab er die Brauereileitung wieder ab, um die Leitung der großen Brauereiausstellung in München zu übernehmen.
Unter den Verwandten der Großelterngeneration befindet sich auch der königliche Hofrat Dr. Ludwig Ashton, der Schwiegersohn des Kommerzienrats Franz Radspieler und die im Jahre 1956 in Fürstenfeldbruck verstorbene „Tante Nelly“, Fräulein Helene Ashton, die an der Dachauer Straße in Fürstenfeldbruck das kleine Haus Nummer 35 bewohnte.
Geht man eine weitere Generation zurück, so stößt man auf den Ururgroßvater von Mirjam und Gabriele Haeusler, Wilhelm Kester, der nach seiner Vermählung am 30. März 1803 mit seiner Frau Maria Magdalena, der Tochter des Frankfurter Bürgers und Chirurgen Johann Nepomuk Steigenberger, als Perückenmacher und Friseur aus Frankfurt nach München gekommen ist. Einer seiner drei Söhne, Wilhelm, der Bruder des Urgroßvaters Franz Kester, übernahm das Geschäft und wurde später königlicher Hoffriseur. Der zweite Bruder Ferdinand starb 1891 als ehemaliger 1. Cassier der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank. Seine fünf Kinder waren ebenfalls recht erfolgreich. Die Tochter Fanny heiratete einen Lehrer und späteren Gymnasialprofessor, ein Sohn Alphons wurde königlicher Bezirksingenieur, Philipp Kester wurde k. bayer. Oberstleutnant und Bataillonskommandant im Ingenieurcorps, Julius wurde Kaufmann und führte als k. Bayer. Hoflieferant ein Herrenwäsche- und Modegeschäft in Münchens Maximilianstraße und Franz Kester wurde Banquier. Er war persönlich haftender Gesellschafter der Münchner Bank Kester, Bachmann & Co.
Doch nun zu den Vorfahren auf der väterlichen Seite der Stifterinnen, zur Familie Haeusler. Der von Mirjam und Gabriele Haeusler hochverehrte Vater, der am 8. Februar 1854 in Gemünden geborene Caspar Haeusler, und sein Familienzweig stammen von fränkischen Weinbauern aus Thüngersheim und der Umgebung von Würzburg ab. Sein Vater, der Bahnmeister Caspar Haeusler, lebte von 1822 bis 1892, seine Mutter Sabina, geb. Varnberger, von 1824 bis 1902. Caspar Haeusler meldete sich – noch als Schüler am Realgymnasium Würzburg – bei Ausbruch des deutsch-französischen Krieges 1870 freiwillig beim 9. Infanterie-Regiment. Auch als Troubadour zuerst abgewiesen, da er das gesetzliche Alter für den Dienst an der Waffe noch nicht erreicht hatte, erreichte er doch noch vor Vollendung des 17. Lebensjahres eingestellt zu werden, so dass er 1871 noch vier Wochen als Gemeiner ins Feld kam. Bei Abschluss des Friedens von Frankfurt war er Vizecorporal und nach Absolvierung der Polytechnischen Hochschule München und dem Studium orientalischer Sprachen, des Staatsrechts und politischer Ökonomie an der Münchner Universität, wurde er im Jahre 1874 Leutnant im 12. Infanterie-Regiment, später zum 2. Feld-Artillerie-Regiment und 1877 zum 1. Feld-Artillerie-Regiment versetzt. Mit dem Besuch der Artillerie- und Infanterieschule als Teilnehmer des 12. Lehrganges schlossen sich von 1880 – 1883 drei Jahre Kriegsakademie an.
In dieser Zeit erfolgte auch die Begutachtung für den Generalstab, eine höhere Adjutantur und das Lehrfach. Secondleutnant Haeusler wurde wegen besonders guter Eignung und Leistung „für besondere Berücksichtigung namhaft gemacht“, heißt es hierzu in den Akten der Kriegsakademie. 1884 erfolgte eine Verwendung im 2. Feld-Artillerie-Regiment, bevor Caspar Haeusler 1885/86 für eine ausgedehnte Russlandreise beurlaubt wurde. Im Rahmen dieses Bildungsurlaubs unternahm er als Premierlieutenant seine erste Informationsreise nach Russland, Persien, in die Türkei und das südwestliche Asien. In Teheran wurde er in diesem Zusammenhang äußerst zuvorkommend aufgenommen und auch vom Schah mehrmals empfangen. Dieser verlieh ihm auch das Offizierskreuz des Sonnen- und Löwen-Ordens. Aus dieser Zeit stammen auch noch einige alte Teppiche und die bedeutende, u.a. aus Wasserkannen, Bettelschalen, Räuchergefäßen, Vasen, Langhalsflaschen, Helmen, Trinkgefäßen, Stierkopfkeulen und Schwertern bestehende Persien-Sammlung Caspar Haeuslers. Sie besteht überwiegend aus Objekten des 19. Jahrhunderts und befindet sich heute als Leihgabe der Kester-Haeusler-Stiftung in der Orient-Abteilung des Staatlichen Museums für Völkerkunde in München. Von seiner Reise zurückgekehrt, diente er als Adjutant der 1. Feld-Artillerie-Brigade, bevor er 1887 als Lehrer für Waffenlehre wieder an die Kriegsakademie zurückkehrte, die er als Schüler bereits von 1880 – 1883 besucht hatte. 1888 erfolgte eine Verwendung als Batteriechef im 4. Feld-Artillerie-Regiment.
Im Jahre 1889 – nur wenige Jahre nach seiner Orient-Reise – hatte der gerade mit Therese Kester vermählte Hauptmann Haeusler – selber der persischen Sprache mächtig – die große Ehre, dem Schah bei seinem Besuch am bayerischen Hofe, der auch zu den Königsschlössern Hohenschwangau und Linderhof führte, vom Prinzregenten als militärischer Ehrendienst zur Seite gestellt zu werden. Diversen Zeitungsberichten vom 15. August 1889 kann entnommen werden, dass der Schah in Ulm an der Bayerischen Grenze auf dem Weg über Augsburg nach München vom Bayerischen Minister des Äußeren, Frhr. v. Crailsheim, und auch von Caspar Haeusler erwartet wurde. „Der Schah antwortete auf die Begrüßung namens des Prinz-Regenten mit einigen französischen Sätzen. Als der Minister ihn daran erinnerte, dass Hauptmann Haeusler ihm bereits in Teheran vorgestellt worden sei, redete der Schah denselben in seiner Landessprache an, worauf der Offizier in fließendem Persisch antwortete“.
1890 erfolgte Haeuslers Versetzung in den Generalstab. 1891 wird er Adjutant des Chefs des Generalstabs der Bayerischen Armee. Nach einer weiteren Versetzung 1892 zur 5. Division wird er 1893 zum Major befördert. Im selben Jahr führte Caspar Haeusler eine weitere Auslandsreise nach Polen zur Erkundung der russischen Weichsel-Narew-Befestigungen. Anfang Oktober wurde er dabei allerdings von einem russischen Gendarm verhaftet und von der Kommandantur der Festung in den 10. Pavillion der Zitadelle von Warschau, das Gefängnis für polnische politische Verbrecher eingeliefert. Seine Freilassung Weihnachten 1894 verdankte er, der in strenger Untersuchungshaft auf die Verschickung nach Sibirien wartete, der Verwendung des deutschen Kaisers Wilhelm II. bei Zar Nikolaus II., dem Nachfolger des im Verlauf der Untersuchungshaft Haeuslers gestorbenen Zaren Alexander III., der ihn bald begnadigte. Nach seiner Verwendung seit 1895 als Kommandeur der Reitenden Abteilung des 2. Feld-Artillerie-Regiments erfolgte 1897 die Beförderung zum Oberstleutnant, 1899 zum Stabsoffizier im 2. Feld-Artillerie-Regiment und 1900 zum Oberst. Der Generalität gehörte er nach einer Verwendung als Kommandeur der 3. Feld-Artillerie-Brigade und als Regimentskommandeur in der Zeit von 1901 bis 1903, seit 1903 als Generalmajor an, bevor er im Jahre 1905 wegen eines sich verstärkt einstellenden Hüftgelenkleidens, das ihm den Dienst zu Pferde unmöglich machte, um seinen Abschied ersuchte und im Mai aus dem aktiven Dienst ausscheidend zur Disposition gestellt wurde.
Eine zweite, nicht weniger beeindruckende Karriere – diesmal als Politiker – schloss sich an die Militärlaufbahn Caspar Haeuslers an, als er im Januar 1907 für den Wahlkreis Unterfranken und Aschaffenburg (Neustadt an der Saale-Kissingen) in den Reichstag gewählt wurde, dem er bis zum November 1918 angehören sollte. Zu seinen besonderen Interessensgebieten gehörten neben dem Budgetausschuss, dem er angehörte, das Ausbildungswesen der Armee, die Reform des Militärgerichtswesens und die Aufbesserung der Soldatenlöhnung. Seine bedeutendste, auch überregional sehr stark beachtete Reichstagsrede hielt er wohl in der durchaus als denkwürdig zu bezeichnenden Reichstagssitzung am 9. April 1913, als er sich eindringlich für eine Herabsetzung der Dienstzeit und die Ausbildung einer Ersatzreserve einsetzte. Schon bei seiner ersten Wahl in den Reichstag als hervorragendes Talent gelobt, bestätigte sich hierbei seine schon 1907 besonders erwähnte Redegabe.
Stets wurde im Hause von Caspar Haeusler und seiner Familie auch ein auf einem tiefen Glauben basierender Einsatz für den Nächsten gelebt. In den Genuss von Hilfe und persönlichem Einsatz kam so auch die Familie von Lucy und Walter Ramberg, die bereits seit Anfang des Jahrhunderts zum Bekanntenkreis der Familie zählte und nach dem frühen Tod von Walter Ramberg am 17. November 1914 auf dem Felde in Ypres/Flandern die Hilfe und Fürsorge der Familie erfahren konnte. Lucy Dodd Ramberg, eine gebürtige Amerikanerin aus Portland/Oregon, die bereits 1897 als Malschülerin Franz von Lenbachs in München gewesen war, und ihre drei minderjährigen Kinder fanden in der Haeusler-Villa neben ideeller Hilfe auch Aufnahme und materielle Hilfe, als sie nach dem Tod Walter Rambergs, eines deutschen Archäologen, Linguisten und Kunstkritikers, der sich erst im August als Kriegsfreiwilliger zum Regiment List gemeldet hatte, im Mai 1915 als Ausländer aus politischen Gründen ihren Wohnsitz in Florenz verlassen mußten und in München eine neue Heimat suchten.
Nach Studienjahren in Berlin, München, Paris (bei L.J. Raphael Collin) und Rom konnte sie auf ihr Können zurückgreifen, um den Lebensunterhalt der Familie mit zu sichern. Neben Gemälden in öffentlichen Sammlungen, wie z.B. ein Aquarell von der Mariae-Himmelfahrts-Messe des 15. August 1916 in der Klosterkirche Fürstenfeld, an der der Bayer. König Ludwig III. und seine Gemahlin teilnahmen, sind auch in der Haeusler-Villa einige Ölgemälde von ihrer Hand zu sehen.
Zwischen 1916 und 1918 malte sie – neben reger Ausstellungstätigkeit u.a. im Münchner Glaspalast und Arbeiten in ihrem Studio in der Clemensstraße in Schwabing – auch mehrere Angehörige der Familie Haeusler. Das große Ölgemälde des Generals Haeusler (1916) stammt ebenso von ihr wie das »Zum Andenken« gewidmete Gemälde der »Generalin Haeusler« (1916) sowie ein Portrait der Großmutter Julie Kester. Auch Radierungen des Generals in Uniform »General Haeusler MdR« sind erhalten geblieben.
Auch als Lucy Ramberg 1919 wieder nach Florenz zurückkehrt und, mit einer Unterbrechung zwischen 1920 – 1925, als sie wieder in die Heimat ihrer Jugend, nach Portland/Oregon übersiedelte, in Italien lebt, bleibt der enge familiäre
Kontakt bis zu ihrem Tod am 20. Januar 1929 erhalten. Lucy Ramberg unterhält in ihrer Villa della Stufa die Lucy Dodd School for American Girls, die sie bis zu ihrem Tod führt und Caspar Haeusler bleibt der Familie als Vormund
und Mündelvertreter der noch minderjährigen Kinder verbunden. Der freundschaftliche Kontakt der Familien blieb auch über die nächste Generation bestehen und führte dazu, daß Mirjam und Gabriele Haeusler bei der Abfassung ihres Erbvertrages verfügten, daß drei Ölbilder Lucy Rambergs mit Landschafts- und Ortsansichten wieder in die Familie Ramberg gelangen sollen. Die Bilder, die an Enkelinnen der Malerin gegangen sind, haben jetzt in Virginia/USA und England eine neue Bleibe gefunden. Sie werden dem Wunsch der Familie entsprechend später mit dem Nachlaß der Künstlerin, der bereits vom Smithonian Institute betreut wird, zusammengeführt werden.
Aus der im Jahre 1889 geschlossenen Ehe mit der am 22. Mai 1867 geborenen Therese Kester, der Tochter von Ludwig und Julie Kester, waren sechs Kinder hervorgegangen:
1889 Eduard,
1891 Ludwig,
1893 Richard,
1897 Mirjam,
1905 Gabriele
und 1906 Hedwig.
Auch die zwei ältesten Brüder von Gabriele und Mirjam, den 1889 geborenen Eduard und den zwei Jahre jüngeren
Ludwig zog es – wie den Vater in jungen Jahren – in die Ferne. Zu Beginn der 20er Jahre siedelten sie nach Chile
über, wo sie als Generalvertreter namhafter, überwiegend europäischer Unternehmen tätig waren. So unterhielten sie viele Jahre lang die Generalvertretung von Zeiss (Jena) für den südamerikanischen Raum, bevor sie 1960 bzw. 1981 in Valparaiso in Chile starben. Mirjam Haeusler war den Brüdern zunächst nach Chile gefolgt und hatte die Buchführung der Generalagentur betreut, bevor sie Mitte der dreißiger Jahre wieder nach Deutschland zurückkehrte,
um in Fürstenfeldbruck die Pflege des schon lange leidenden, schwer kranken Bruders Richard mit zu übernehmen,
der im Mai 1937 verstarb. Die Krankheit des Vaters und seine Pflege bis zu seinem Tod am 21. März 1938 hielt sie weiter in Deutschland fest. Die politische Lage und der im folgenden Jahr ausbrechende Zweite Weltkrieg machten eine Rückkehr nach Chile für lange Zeit unmöglich. Schließlich blieb Mirjam Haeusler ganz in Fürstenfeldbruck bei der am 1. Juni 1945 verstorbenen Mutter und ihrer Schwester Gabriele, doch noch im hohen Alter erinnerte sie sich gerne
an die schöne Zeit in Chile, von der auch heute noch zahlreiche Andenken und Fotoalben zeugen.
In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg überbrückten die Schwestern die auch für sie schwierigen Zeiten finanzieller Engpässe, indem sie in ihrem Haus an der Dachauer Straße eine Pension führten und so für den Lebensunterhalt von den beiden langjährigen Hausangestellten und sich sorgten. Sie vermieteten bis in die sechziger Jahre – bevorzugt an ehemalige Offiziere und deren Witwen – einzelne Zimmer des Hauses mit Vollpension an Langzeitmieter. Zusätzlich betrieb Gabriele Haeusler im eigenen Garten einen gewerblichen Gartenbaubetrieb mit Obst- und Gemüseanbau und konnte auf die schon Anfang des Jahrhunderts vom Großvater errichteten großzügigen Gewächshäuser, die dieser ursprünglich zur Zucht von Gladiolen genutzt hatte, zurückgreifen. Bis ins hohe Alter war der Garten die große Liebe der Damen, die, auch als dies als Erwerbsquelle keineswegs mehr notwendig war, um den Lebensunterhalt zu bestreiten, die historischen Gewächshäuser, die mit einem Rohrsystem und einem Ofen beheizbar sind, weiter nutzten.
Nur die vom Großvater Ludwig Kester noch betriebene Bienenzucht wurde nicht weiter aufrechterhalten.
Ab Mitte der 60er Jahre gingen Mirjam und Gabriele Haeusler immer häufiger ihrer Neigung und Vorliebe zu ausgedehnten Reisen ins Ausland nach. Zusammen mit Karl Trautmann führten sie die Reisen zu vielen europäischen Zielen in Italien, Frankreich, Holland, Portugal, etc. bevor mit dem Tod Trautmanns im September 1978 der Reiseplaner, Reisebegleiter und »Mit-« Fahrer wegfiel.
Italien und Spanien zählten wohl zu den besonders häufig und gern gewählten Zielen, die Karl Trautmann – neben seinen vielen Ansichten aus der Region – zu Skizzen, Zeichnungen und Aquarellen inspirierten, die er dann, wieder in Fürstenfeldbruck angekommen, häufig noch zu Gemälden umsetzte.
Seinen Nachlass und den sehr umfangreichen Bestand seiner Werke pflegt und bewahrt heute die Kester-Haeusler-Stiftung satzungsgemäß und setzt damit die Tradition der Familie fort, die zu Beginn der 20er Jahre durch Frau Nellie Ashton und die Familie Haeusler begann. Dem 1901 in Nürnberg geborenen Karl Trautmann, den 1922 die wirtschaftlichen Verhältnisse nach dem 1. Weltkrieg als Malergeselle zu einer Übersiedelung nach Fürstenfeldbruck veranlassten, wurde durch familiäre Förderung in den Jahren 1924 bis 1929 ein Kunststudium an der Münchner Akademie der Bildenden Künste u.a. bei den Professoren Franz von Stuck und Adolf Schinnerer ermöglicht. Fürstenfeldbruck verließ er nur noch für die bereits erwähnten Studienreisen und zwischen 1931 und 1938, als er im Chiemgau abseits vom Kunstbetrieb arbeitete.
Schon seit den fünfziger Jahren waren Gabriele und Mirjam Haeusler passive Mitglieder in der von Karl Trautmann im Jahr 1924 mitbegründeten und ab 1961 als 1. Vorsitzenden geleiteten Fürstenfeldbrucker Künstlervereinigung. Mit seiner Übernahme der Vorstandschaft wurden sie auch im Einsatz für die Anfertigung der Protokolle und Schriftwechsel sowie zur Organisation der regelmäßigen Treffen der Künstler der Region und bei der Vorbereitung der jeweils im Sommer und Winter stattfindenden Verkaufsausstellungen aktiv. Sie entwickelten über die bereits bestehende Vorliebe für Opern und Konzerte, der sie mit regelmäßigen Abonnements u.a. im Nationaltheater nachgingen, ein reges Interesse für Kunst und Kultur, was wiederum auch bei der Erstellung der Stiftungssatzung Berücksichtigung fand.
Auch das letzte öffentliche Auftreten von Gabriele Haeusler stand im Zeichen einer kleinen „Stiftung“ zur Erinnerung an den verehrten Vater. Anlässlich des 50. Todestages von General Haeusler stifteten die beiden Töchter Ende August 1988 eine Pietà aus der fränkischen Heimat des Vaters, die früher auf dem Ampergrundstück der Familie stand und nun in Emmering auf dem neuen Friedhof einen dauerhaften Platz erhalten hat.
Am 18. Oktober 1988 verstarb Gabriele Haeusler, die jüngere der beiden Schwestern völlig unerwartet. Sie war in der Nacht friedlich eingeschlafen und hinterließ ihre acht Jahre ältere Schwester Mirjam. Nach mehrmonatiger Pflegebedürftigkeit verstarb diese am 8. Dezember 1989 in Fürstenfeldbruck. Beide Schwestern fanden ihre letzte Ruhestätte auf dem Alten Friedhof in Fürstenfeldbruck in der Familiengruft, neben den Eltern, Großeltern und zwei Geschwistern.
Das Andenken an die Familien Kester und Haeusler wird durch die von Gabriele und Mirjam Haeusler ins Leben gerufene Stiftung lebendig gehalten. Mit ihrem in der Stiftungssatzung vorgegebenen Willen, der auch für die tägliche Arbeit der Stiftung oberste Richtschnur ist, lebt auch das Andenken an Mirjam und Gabriele Haeusler mit der Kester-Haeusler-Stiftung und durch sie weiter. Aber auch die Stadt Fürstenfeldbruck trägt dazu bei, das Andenken an die Stifterinnen zu bewahren. Zu ihrer Ehrung und in Erinnerung an sie hat die Stadt im Frühjahr 1996, als in Fürstenfeldbruck, in der unmittelbaren Nachbarschaft zur Haeusler-Villa, die Benennung des Verbindungsweges zwischen Sinzinger Straße und Stadelberger Straße anstand, diesen Weg nach Mirjam und Gabriele Haeusler benannt und als „Geschwister-Haeusler-Weg“ gewidmet.